Das verschwundene Geschenk


Der 21. Dezember begann still. Zu still.
Draußen lag der Schnee wie ein frisches Versprechen auf den Dächern, und die Stadt wirkte, als würde sie den Atem anhalten. Vivi liebte diesen Tag. Nicht nur, weil es ihr Geburtstag war, sondern weil der Dezember immer etwas Magisches hatte – als könnten Dinge verschwinden… oder wiedergefunden werden.

Jelto hingegen stand in der Küche und starrte in eine leere Schublade.

„Nein. Nein, nein, nein“, murmelte er und zog sie ein drittes Mal auf, als würde das Geschenk plötzlich doch noch auftauchen, nur aus Trotz. Aber da war nichts. Kein Päckchen. Keine Schleife. Nicht einmal Geschenkpapier.

Er hatte es gehabt. Ganz sicher. Vor ein paar Tagen noch. Er erinnerte sich an das Gewicht, an das leise Klappern im Inneren, an das zufriedene Gefühl, genau das Richtige gefunden zu haben. Und jetzt? Weg. Verbummelt. Verschwunden.

Als Vivi verschlafen in der Tür erschien, mit zerzausten Haaren und einem Lächeln, das eindeutig „Geburtstag“ sagte, drehte sich Jelto langsam um.

„Alles Gute zum Geburtstag“, sagte er etwas zu schnell.

„Danke“, antwortete Vivi und musterte ihn. „Warum siehst du aus, als hättest du gerade den Weihnachtsmann verjagt?“

Jelto atmete tief durch. „Ich muss dir etwas sagen.“

Vivi setzte sich an den Tisch. „Oh. Klingt gefährlich.“

„Ich habe dein Geschenk…“ Er zögerte. „…verloren.“

Stille.

Draußen fuhr ein Auto durch den Schnee. Eine Kirchenglocke schlug neun.

„Verloren?“, wiederholte Vivi langsam.

„Nicht absichtlich!“, verteidigte sich Jelto sofort. „Es war da. Und dann war es weg. Als hätte der Dezember es einfach verschluckt.“

Vivi lehnte sich zurück, hob eine Augenbraue und lächelte plötzlich. „Und was jetzt?“

Jelto grinste schief. „Jetzt wird es kompliziert.“

Er erklärte ihr, dass das Geschenk nicht einfach verschwunden sei. Dass er Spuren gefunden hatte. Hinweise. Dass der Tag selbst – ihr Geburtstag, der 21. Dezember – der Schlüssel sei. Und dass das Geschenk sich nur zeigen würde, wenn man bereit war, ein bisschen zu suchen.

Vivi hörte ihm aufmerksam zu. Je länger er sprach, desto mehr funkelten ihre Augen.

„Du meinst also“, sagte sie schließlich, „mein Geschenk ist irgendwo da draußen… und ich muss es mir zurückholen?“

„Sozusagen“, antwortete Jelto. „Der Dezember hat es sich ausgeliehen. Aber er gibt es wieder her. Schritt für Schritt.“

Vivi stand auf, zog sich ihren Schal über und griff nach ihrer Jacke.

„Na gut“, sagte sie. „Dann fangen wir wohl besser an.“

Jelto öffnete die Tür. Kalte Luft strömte herein, voller Schnee, Lichter und Möglichkeiten.

Der 21. Dezember hatte gerade erst begonnen.